Der Ruf von Zeitarbeit ist sehr durchwachsen und oftmals kein guter. Aussagen, wie „Ausbeuter!“,  „Alles schwarze Schafe!“, „Zeitarbeiter sind die ersten, die gekündigt werden“ sind weitverbreitet. Darunter leidet eine ganze Branche, die eigentlich so viel mehr zu bieten hat, als der ihr vorauseilende Ruf. Doch warum ist das so? Welche Formen der Zeitarbeit gibt es und wie unterscheiden sich diese? Diese und weitere Fragen, wollen wir im folgenden Blogbeitrag versuchen zu beantworten, um so Licht ins Dunkel der Zeitarbeit zu bringen.

WIE FUNKTIONIERT ZEITARBEIT?

Das Prinzip ist einfach: Es besteht eine „Dreiecksbeziehung“ zwischen:

Arbeitnehmer*
Entleiher (Einsatzunternehmen)
Verleiher (Personaldienstleister)

Dabei schließt der Verleiher einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mit dem Einsatzunternehmen und einen Arbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmer. Der Entleiher verpflichtet sich damit, einen Stundensatz XY an den Verleiher für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu zahlen. Der Verleiher zahlt im Gegenzug für die erbrachte Arbeitsleistung den Lohn des Arbeitnehmers.

Ausführliche Informationen zur Zeitarbeit finden Sie zusätzlich in unserem Blogpost „Zeitarbeit – Wissenswertes und News.

KURZPORTRÄT: DIE BRANCHE ZEITARBEIT

Die Branche ist ein Wirtschaftsfaktor und hat vor allem in den letzten Jahren, in Zeiten der Wirtschaftskrise und des oft diskutierten und weitverbreiteten Fachkräftemangels, an Bedeutung gewonnen. Die Zahl der Zeitarbeiter hat sich in den vergangenen zehn Jahren daher nahezu verdoppelt.

Fakten und Zahlen:

  • Die Begriffe ArbeitnehmerüberlassungLeiharbeit und Zeitarbeit werden synonym verwendet
  • Mehr als 11.000 Zeitarbeitsunternehmen waren 2015 in Deutschland registriert¹
  • Im Jahr 2015 gab es durchschnittlich mehr als 900.000 über Zeitarbeit beschäftigte Arbeitnehmer in Deutschland¹
  • Unter allen Erwerbstätigen machten sie damit einen Anteil von 2,2 % aus²
  • Zeitarbeit ist eine bunte Branche: im Jahr 2015 waren etwa ein Viertel aller Zeitarbeiter ausländische Angestellte³
  • Mit mehr als zwei Dritteln (69%) sind deutlich mehr Männer in Arbeitnehmerüberlassung angestellt, als Frauen⁴
  • Zeitarbeit findet sich überwiegend im gewerblichen Bereich und in der Industrie wieder² Den größten Anteil, mit gut 30 %, macht hier die Metall- und Elektroindustrie aus
  • Vor allem große Unternehmen nutzen Zeitarbeit²
  • Im Jahr 2015 dauerte das Beschäftigungsverhältnis zwischen Zeitarbeitnehmern und einem Personaldienstleister in der Hälfte der Fälle weniger als drei Monate an¹:

< 1 Monat: 31 %

1 – 3 Monate: 23 %

3 Monate – 1 Jahr: 28 %

Über 1 Jahr: 18 %

  • Die Zeitarbeit ist streng reguliert und gesetzlich an das sog. Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) gebunden
  • Für das Tätigwerden als Zeitarbeitsunternehmen ist eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nötig. Überprüft werden Unternehmen von der Bundesagentur für Arbeit und dem Zoll

Kaufmännische und gewerbliche Zeitarbeit kritisch betrachtet

Unter den über 11.000 Zeitarbeitsunternehmen befinden sich nach unseren Schätzungen circa 20 %, die Personal im (hoch-)qualifizierten kaufmännischen Bereich vermitteln. In etwa die Hälfte sind Dienstleister, die sich ausschließlich auf die Zeitarbeit im gewerblichen Bereich und der Industrie spezialisiert haben. Der Rest der Zeitarbeitsunternehmen ist in beiden Bereichen tätig.

Die klassische Personaldisposition ist vielmals im gewerblichen Bereich zu finden und gekennzeichnet durch mehrere kurzweilige Einsätze eines Zeitarbeiters bei unterschiedlichen Einsatzunternehmen. Auch Tageseinsätze sind möglich. Für Personaldisponenten besteht daher ein hoher organisatorischer Aufwand und Verantwortlichkeit für eine Vielzahl von Mitarbeitern und Einsätzen. Darunter leidet häufig auch die Betreuung der Mitarbeiter. Eine Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann nur sehr schwer bis gar nicht aufgebaut werden. Einstellungen neuer Mitarbeiter werden teilweise im Akkord durchgeführt. Mögliche Folgen: Mitarbeiter fühlen sich abgefertigt, Unmut macht sich breit, Ausfallzeiten nehmen zu und das Gefühl der Austauschbarkeit wächst. Nichtdestotrotz gibt es auch hier positive Beispiele und Dienstleister, die den Spagat schaffen und neben der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens auch das Wohl des Mitarbeiters nicht aus dem Auge verlieren.

Bei Zeitarbeitsunternehmen, die (hoch-)qualifizierte Mitarbeiter, bspw. im kaufmännischen Bereich, verleihen, sind oftmals mittel- bis langfristige Einsätze zu finden. Die Mitarbeiter verfügen in der Regel wenigstens über eine abgeschlossene Ausbildung, häufig verlangt der Entleiher auch eine gewisse Berufserfahrung. Besteht eine Übernahmeoption seitens des Entleihers, so erfolgt diese in vielen Fällen nach weniger als einem Jahr. Natürlich gibt es hier Ausnahmen und Abweichungen. Ähnliche Beispiele sind auch in der gewerblichen Zeitarbeit zu finden.

Allein im Jahr 2016, so Schätzungen des Online-Portals Statista, haben Unternehmen in der Personal- und Zeitarbeitsbranche in Deutschland einen Umsatz von fast 27 Milliarden Euro erwirtschaftet. Ein großer Kuchen, von dem viele etwas abhaben möchten. Die Zeitarbeit ist daher ein hart umkämpfter und riesiger Markt, der es schwarzen Schafen der Branche leicht macht im Strom der Masse mit zu schwimmen und sogar lange unentdeckt zu bleiben. Die Folge: Imageverlust der Zeitarbeitsbranche und Kritik, auch dank der sozialen Medien, in denen jeder anonym seinem Unmut Luft machen und einmal ordentlich und unerkannt über den Arbeitgeber herziehen und die Arbeitsweise von Zeitarbeitsfirmen in Frage stellen kann.

Doch irgendwie auch verständlich, oder? Eigentlich soll Unternehmen durch den Einsatz von Zeitarbeitern zu einer gewissen personellen Flexibilität verholfen werden, um so u.a. auf Schwankungen reagieren und Auftragsspitzen abdecken zu können. Dies erklärt wiederum auch, warum viele Beschäftigungsverhältnisse nur von kurzer Dauer sind. Dennoch gibt es Unternehmen, die Zeitarbeiter jahrelang im Einsatzunternehmen beschäftigen. Die Beschwerden bei Familie und Freunden, in Foren und den sozialen Medien häufen sich und die gesamte Branche wird zu Unrecht verurteilt. Kritisch sollte an dieser Stelle jedoch angemerkt werden, dass 2015 nur 18 % länger als ein Jahr über Zeitarbeit beschäftigt waren¹. Dennoch nutzen große Unternehmen hier oftmals ihre Bekanntheit, ihren guten Ruf sowie die Hoffnung der Zeitarbeiter, vielleicht doch noch übernommen zu werden, aus, und verlängern Einsätze immer weiter, oft über mehrere Jahre hinweg. Hier läuft ganz klar etwas schief und der eigentliche Sinn und das Modell der Arbeitnehmerüberlassung im klassischen Sinne wird ausgenutzt.

Nichtsdestotrotz belegt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung auch, dass Zeitarbeit keine Stammbelegschaft verdrängt. Zeitarbeit hilft Unternehmen sogar, plötzliche Auftragsspitzen abdecken zu können und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens auch in Boomzeiten zu bewahren. In Krisenzeiten hilft der Einsatz der flexiblen Zeitarbeit hingegen die Stammbelegschaft zu sichern.

Ein weiterer Punkt, der zeigt, dass die Zeitarbeit gar nicht so schlecht ist wie ihr Ruf, zeigt sich bei der Betrachtung der Löhne. So gilt in der Zeitarbeitsbranche eine Lohnuntergrenze (Entgeltgruppe 1 ab 01.01.2017 Ost: 8,84 EUR West: 9,00 EUR), die mindestens dem gesetzlichen Mindestlohn entspricht, ihn sogar übersteigt. Aufgrund neuer Tarifverhandlungen und -abschlüsse stiegen allein in den vergangenen zwei Jahren die Löhne in der Zeitarbeit um 13,4 % (Ost) bzw. 10 % (West).² In vielen Branchen gibt es zudem, zusätzlich zum tariflichen Entgelt, sogenannte Branchentarifzuschläge, die die stufenweise Anpassung der Gehälter von Zeitarbeitnehmern an die Gehälter der Stammbelegschaft sicherstellen sollen.

ZEITARBEIT ALS CHANCE

Leiharbeit zieht sich durch den gesamten Arbeitsmarkt. Dennoch kommt der überwiegende Teil aus der Arbeitslosigkeitund ist häufig gering qualifiziert. Für sie bietet die Leiharbeit oftmals den einzigen Wiedereinstieg in einen neuen Job. Doch für wen bietet Zeitarbeit außerdem Perspektiven und ein Sprungbrett ins Berufsleben?

  • Quereinsteiger
  • Berufsanfänger: Gut 10 % der Berufsanfänger fanden über die Zeitarbeit den Einstieg ins Berufsleben
  • Wiedereinstieg nach längerer Unterbrechung: Im Jahr 2014 kamen 55 % der Arbeitnehmer, die über die Zeitarbeit beschäftigt waren, aus der Arbeitslosigkeit. Für sie bietet sich die Chance, den potenziellen neuen Arbeitgeber von den eigenen Fähigkeiten zu überzeugen und Berufserfahrung zu sammeln. Die Zeitarbeit übernimmt hier eine sog. Brückenfunktion – raus aus der Arbeitslosigkeit, rein in die Arbeitswelt
  • Gering- und Nichtqualifizierte, die häufig über keine abgeschlossene Ausbildung verfügen
  • Seit einiger Zeit bietet die Zeitarbeit auch für Flüchtlinge eine gute Basis, um den Einstieg in ihr Leben in einem neuen Land zu finden. Besonders im Handwerk und dem gewerblichen Bereich gibt es immer wieder positive Beispiele, die die erfolgreiche Integration von Flüchtlingen in die Arbeitswelt zeigen. So sind, nach Angaben des iGZ (Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsnehmen e.V.), rund 25 Prozent aller Flüchtlinge, die in Deutschland eine Anstellung gefunden haben, über Zeitarbeit beschäftigt

TIPPS & HINWEISE FÜR JOBSUCHENDE

Durch die empfiehlt es sich für Jobsuchende, sich genau mit seinem potenziellen Arbeitgeber zu beschäftigen und unseriöse Dienstleister, wenn möglich, bereits vorab zu identifizieren.  Erkundigen Sie sich in Foren, auf seriösen Plattformen und Arbeitgeberbewertungsportalen. Aber: betrachten Sie Beschwerde- und Hasskommentare dennoch durchaus kritisch und distanziert. Lassen Sie am Ende ihr Bauchgefühl entscheiden und identifizieren Sie für sich den Mehrwert und die Vorteile, die Sie aus der Beschäftigung ziehen können.

HERAUSFORDERUNG & AUSBLICK FÜR DIE BRANCHE – MISSBRAUCH VERHINDERN UND DEN RUF NACHHALTIG VERBESSERN“ 

Zum 01.04.2017 wird die komplette Branche durch die Novellierung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (kurz: AÜG) vor eine neue und weitreichende Herausforderung gestellt. Die genauen Auswirkungen auf die Branche lassen sich zwar noch nicht abschätzen, doch auch hier  wird es einige Unternehmen härter treffen, als andere. Vor allem in der gewerblichen Zeitarbeit, bei langfristigen Einsätzen und der Personaldisposition, muss sich auf gravierende Änderungen in den Arbeitsabläufen eingestellt werden.

Da trotz der anstehenden Mammutaufgabe auch weiterhin die Verbesserung des Branchenrufes stehen sollte, sehen wir dem überarbeiteten Gesetz mit gemischten Gefühlen entgegen: Schwarze Schafe der Branche bekämpfen und Missbrauch verhindern – ja! Die Handlungsfreiheit für Unternehmen zunehmend einschränken und weiter verkomplizieren – nein! So ist es leichter gesagt als getan, das Image nachhaltig verbessern.

Auf Seiten der Politik sollte es daher hoffentlich erst einmal mit den neuen Reglementierungen für die Branche reichen. Genug Unruhe, die diese Gesetzesänderung mit sich bringen wird. Die Branche braucht Zeit und Luft, um Strukturen und Prozesse einzuführen und anzupassen und vor allem um sich zu erholen und selbst zu regulieren. Auch wir fragen uns: Wie wird es in Zukunft weitergehen? Wie und in welcher Form wird das „Modell Zeitarbeit“ in Zukunft realisierbar sein? Wie viel wird sich ändern? Wie viele Unternehmen werden aufgeben müssen oder werden unweigerlich aussortiert? Wie sehr wird der Ruf der Branche darunter leiden? Fragen über Fragen, die sicherlich erst in einiger Zeit beantwortet werden können…

*Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in diesem Beitrag stets die männliche Form gewählt. Sie bezieht sich jedoch gleichermaßen sowohl auf weibliche als auch auf männliche Personen.

Quellen: 1 Bundesagentur für Arbeit, 2 Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V., 3 Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und 4 Statista