Im Februar 2016 wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein „Diskussionsentwurf zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze“ vorgelegt. Dabei handelt es sich um eine überarbeitete Version ihres Vorgängers  vom November 2015, die die Bundesregierung nicht zuletzt wegen der laut gewordenen Kritik am ersten Entwurf ausgearbeitet hat. Dazu wollen wir Sie kurz über die wichtigsten Punkte der aktuell vorgesehenen Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, unter anderem auch in Hinsicht auf Zeitarbeit Übernahme, informieren.

1,2,3… JAHRE – WIE LANG DARF ENTLIEHEN WERDEN?

Hier soll es eine zeitliche Begrenzung geben. Demnach darf eine Zeitarbeitnehmerin bzw. ein Zeitarbeitnehmer nicht länger als 18 Monate an den gleichen Kunden überlassen werden. Es ist dabei unerheblich, ob das Zeitarbeitsunternehmen gewechselt wird. Da die Entleihung personenbezogen ist, läuft die Frist damit auch weiter, wenn der Zeitarbeitnehmer  von einem anderen Zeitarbeitsunternehmen an das gleiche Kundenunternehmen entliehen wird. Ausnahmen gibt es jedoch bei entsprechenden tariflichen oder betrieblichen Regelungen. Hier wird beispielsweise unterschieden, ob ein Kundenunternehmen tarifgebunden ist oder nicht.

Findet eine Unterbrechung zwischen den Einsätzen im selben Kundenunternehmen von unter sechs Monaten statt, weil der Arbeitnehmer bspw. zwischendurch bei einem anderen Kunden eingesetzt wurde, so kommt es dennoch zu einer Anrechnung der bisherigen Einsatzzeit.

Missachten Unternehmen die Überlassungshöchstdauer, sieht der neue Entwurf harte Konsequenzen vor, die zu Geldbußen von bis zu 30.000€ führen können.

MITARBEITER GLEICH MITARBEITER? – GLEICHSTELLUNGSGRUNDSATZ ZEITARBEIT

Zeitarbeitnehmer dürfen im Hinblick auf die wesentlichen Arbeitsbedingungen nicht schlechter gestellt sein, als ein vergleichbarer Arbeitnehmer des Kundenunternehmens (sog. Equal Treatment). Dies soll auch zukünftig so bleiben. Genauso, wie die Möglichkeit zur Abweichung, wenn das Zeitarbeitsunternehmen unter einen geltenden Tarifvertrag der Zeitarbeit fällt oder auf diesen in seinen Arbeitsverträgen Bezug nimmt.

Neu soll laut des Entwurfes aber sein, dass in Hinblick auf das Arbeitsentgelt eine Gleichstellung mit einem vergleichbaren Arbeitnehmer des Kundenunternehmens nach spätestens neun Monaten erfolgen muss (sog. Equal Pay)- unabhängig davon, ob eventuell abweichende tarifliche Regelungen bestehen. Kommt hingegen ein Branchentarifvertrag zur Anwendung, muss eine solche Anpassung an die Einsatzbranche erst ab dem 16. Monat erfolgen.

Der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (iGZ) kritisiert hierbei u.a. die „fehlende Definition von Equal Pay“ und einer kaum bis nicht realisierbaren Administration nach dem neunten Monat, wenn kein Branchentarifvertrag angewendet wird.

WER IST DER ARBEITGEBER? – VERBOT DES KETTENVERLEIHS

Der sogenannte Kettenverleih ist unzulässig und soll klar gesetzlich verboten werden. Hierbei geht es darum,  dass nur der tatsächliche Arbeitgeber einen Zeitarbeitnehmer auch überlassen kann. Bisher gab es Kritik an der teilweise nicht ganz eindeutigen Formulierung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Ein Verstoß gegen das Verbot soll mit bis zu 30.000 € Geldstrafe geahndet werden.

WER GENAU WIRD VERLIEHEN? – VERBOT DER VERDECKTEN ARBEITNEHMERÜBERLASSUNG

Für Verträge soll zukünftig gelten, dass diese auch als Arbeitnehmerüberlassungsverträge klar und deutlich gekennzeichnet werden müssen. Das Ziel ist die Verhinderung von als Werkvertrag bezeichneten Verträgen, die eigentlich Arbeitnehmerüberlassungsverträge sind. In Zukunft wird immer wichtiger werden, beide Vertragsarten deutlich voneinander abzugrenzen. Zudem muss u.a. der Name des jeweiligen Zeitarbeitnehmers konkret vor der Überlassung angegeben werden.  Die alleinige Angabe von Qualifikationen und dem Einsatzbereich sei laut Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zu unspezifisch und soll zukünftig nicht mehr ausreichend sein.

Auch hier kann ein Verstoß zu Geldbußen im unteren fünfstelligen Bereich oder zur Unwirksamkeit des Vertrages führen. Im zweiten Fall könnte zudem ein Arbeitsverhältnis zum Kunden per Gesetz entstehen.

WERKVERTRAG ODER ARBEITNEHMERÜBERLASSUNGSVERTRAG? – INFORMATIONSPFLICHT DES AG

Das Zeitarbeitsunternehmen ist zukünftig dazu verpflichtet, seinem Mitarbeiter mitzuteilen, dass dieser im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung angestellt wird. Der Mitarbeiter weiß dadurch, ob er sich aktuell in der Arbeitnehmerüberlassung befindet oder ob ein Werkvertrag für seine Arbeitsleistung geschlossen wurde. Mit dieser Regelung soll die eindeutige Abgrenzung vom Werk- zum Arbeitnehmerüberlassungsvertrag noch einmal verdeutlicht werden.

BUßGELD IM STREIKFALL – EINSATZVERBOT VON ZEITARBEITNEHMERN IN BESTREIKTEN BETRIEBEN

Im Manteltarifvertrag des iGZ gibt es zwar bereits eine sogenannte Streikklausel, allerdings richtet sich diese an die Zeitarbeitnehmer, nicht aber an die Entleiher. Das überarbeitete Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sieht nun vor, dass auch Kundenunternehmen keine Zeitarbeitnehmer im Streikfall beschäftigen dürfen – unabhängig davon, ob der Leiharbeiter bereits vor dem Streik an das Unternehmen überlassen wurde.  Bei Verstoß winken dem Unternehmen dann sogar bis zu 500.000 € Bußgeld.

SCHWELLENWERTE ERREICHEN – ZEITARBEITNEHMER ZÄHLEN MIT

Weiterhin soll nun generell gesetzlich geregelt werden, dass auch Zeitarbeitnehmer, die im Normalfall dem Kundenunternehmen angehören, ebenso mitzuzählen sind. Dies bezieht sich auf die Berechnung von sogenannten Schwellenwerten bei den Mitbestimmungsgesetzen. Zeitarbeitnehmer können damit z.B. Einfluss auf die Größe von Mitarbeitervertretungen in den Unternehmen haben.

AB WANN TRETEN DIE VORGESEHENEN ÄNDERUNGEN IN KRAFT?

Wie eingangs erwähnt, handelt es sich um einen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Entwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, der laut dem iGZ noch viel Verbesserungspotenzial aufweist. Ob und in welcher Form aus dem Entwurf eine tatsächliche Gesetzesänderung wird, entscheidet sich bis zum 01. Januar 2017. Dann soll das Gesetz in Kraft treten. Sobald es Neues dazu gibt, lesen Sie es auf unserem Blog.

+++ UPDATE MAI 2016+++

Nach dem Koalitionsgipfel der Bundesregierung am 10. Mai 2016 mit Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, wurden u.a. die folgenden Punkte hinsichtlich der Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes entschieden:

  • Die Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten ist beschlossene Sache. Abweichungen auf 24 Monate und mehr sind in bestimmten Fällen und durch entsprechende Vereinbarungen dennoch möglich – auch für nicht-tarifgebundene Unternehmen.

  • Der Unterbrechungszeitraum in Hinblick auf Equal Pay und die Überlassungshöchstdauer wird von sechs auf drei Monate verkürzt.

  • Maßgeblich für die Berechnung der Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten als auch des Anspruchs auf Equal Pay nach neun Monaten, gelten erst jene Zeiten nach dem Inkrafttreten der überarbeiteten Version des Gesetzes (Stichtagsregelung). Sollte es zu Verzögerungen kommen, könnte es sein, dass das Gesetz nicht wie geplant am 01.01.2017, sondern erst ab dem 01.04.2017 in Kraft tritt.

  • Auch sollen Zeitarbeitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmer künftig beim Erreichen von Schwellenwerten mitgezählt werden – vorausgesetzt sie sind länger als sechs Monate im Einsatzunternehmen beschäftigt.

  • Generell soll gelten, dass Zeitarbeitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmer auch in bestreikten Einsatzunternehmen beschäftigt werden dürfen, sofern sie keine Aufgaben von Streikenden übernehmen.

Kritik seitens Verbänden und Dienstleistern der Branche gibt es jedoch weiterhin u.a. für die fehlende Definition von Equal Pay sowie die drohenden, teilweise sehr hohen Bußgelder und Strafen, die bis zum Verlust der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis führen können.

+++ UPDATE Oktober 2016+++

Die Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes treten nicht wie geplant schon zu Jahresbeginn am 01.01.2017, sondern erst drei Monate später, zum 01.04.2017 in Kraft.

+++ UPDATE November 2018+++

Die am 01.04.2017 in Kraft getretene Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes hat sich mittlerweile etabliert…oder nicht? Wie waren und sind noch immer die Folgen? Welche Änderungen haben sich in den letzten 20 Monaten in der Zeitarbeiterbranche ergeben , wo haben sich Lücken aufgetan und welche Vor- bzw. Nachteile sind schon jetzt erkennbar? Prokontex klärt auf!

Vorab eine kurze Zusammenfassung, was die Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes beinhaltet.

Höchstüberlassungsdauer

  • Maximal 18 Monate darf der Zeitarbeitnehmer bei ein und demselben Unternehmen eingesetzt werden.

  • Vor dem 01.04.2017 geleistete Arbeitszeiten wurden nicht berücksichtigt.

  • Stichtag zum erstmaligen Erreichen der Höchstüberlassungsdauer war der 30.09.2018.

  • Es erfolgt keine Neuberechnung der Fristen bei Arbeitsplatz- oder Tätigkeitswechsel im selben Unternehmen.

  • Ebenfalls erfolgt keine Neuberechnung der Frist bei Wechsel des Projektmitarbeiters zu einem neuen Personaldienstleister als Arbeitgeber.

  • Insofern zwischen den einzelnen Einsätzen nicht mehr als 3 Monate und 1 Tag liegen, werden diese sogenannten Überlassungszeiten komplett angerechnet.

Equal Pay

  • Nach 9 Monaten Einsatzdauer bei einem Kundenunternehmen gilt der Grundsatz des Equal Pay (arbeitnehmerbezogen).

  • Bruttovergütungsbestandteile aller vergleichbaren Stammarbeitnehmer müssen dem Equal Pay entsprechen

  • Zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt ist das Unternehmen verpflichtet, insbesondere auch Sonderzahlungen, Zulagen, Entgeltfortzahlungen, Urlaubsentgelte, vermögenswirksame Leistungen und Sachbezüge entsprechend der Stammarbeitnehmer-Gehälter zu zahlen.

  • Der Anspruch auf Equal Pay bestand erstmalig ab dem 01.01.2018.

Wir haben den Prokontex Personalberater Stefan Kapfer nach seiner Einschätzung der bisherigen Folgen seit Inkrafttreten der Gesetzesänderung befragt.

Wie waren und sind noch immer die Folgen?

Aufgrund des neuen Arbeitnehmerüberlassungesetzes stelle ich immer mehr fest, dass es positive, wie negative Folgen gab und gibt, erklärt Stefan Kapfer.
Positiv: Die Arbeitnehmerüberlassung wird klarer und beide Seiten (Unternehmen und Mitarbeiter) wissen genau, auf was sie sich einlassen.
Weiter erklärt er: Es gibt eine maximale Zusammenarbeit von 18 Monaten und nach Ablauf des 9. Monats eben den Equal Pay. Aus dieser Klarheit entsteht weniger Verwirrung als zuvor. Typische Fragen bis dahin seitens der Mitarbeiter waren: Wie lange wird denn maximal über die Arbeitnehmerüberlassung eingestellt, gibt es nach einer gewissen Zeit eine Gehaltsanpassung etc. Das fällt seitdem komplett weg.

Negativ: Nicht jede Firma kann dem Mitarbeiter eine Festanstellung bieten. Vor allem größere, internationale Konzerne haben oft das Thema, dass kein sogenannter „Head-Count“ für die Stelle freigegeben wird, es aber sehr wohl eine langfristige Beschäftigung über das Modell der Arbeitnehmerüberlassung gibt. Leider werden solche Unternehmen und auch Mitarbeiter (die oft gar nicht zwingend auf Festanstellung bestehen) gezwungen, sich voneinander zu trennen. Das ist schade, ergänzt er.

Welche Änderungen haben sich in den letzten 20 Jahren in der Zeitarbeiterbranche ergeben?

Der Prokontex Personalberater sagt: Viele Personalberatungen, die sich rein auf die klassische Zeitarbeit spezialisieren, bekommen natürlich Probleme, da ihr Geschäftsmodell durch die neue Gesetzgebung keinen Bestand mehr hat. Die Folge ist, dass Umsätze stark zurückgehen und natürlich auch interne Mitarbeiter entlassen werden. Ich bekomme von Kollegen oft mit, dass die Teams viel kleiner werden.

Wo haben sich Lücken aufgetan und welche Vor- bzw. Nachteile sind schon jetzt erkennbar?

Da würde ich die Schlussfolgerung von der Antwort bei Frage 1 nehmen. Die Lücke liegt klar darin, dass wenn ein Unternehmen und ein Mitarbeiter beide gerne weiter über die Arbeitnehmerüberlassung das Arbeitsverhältnis fortsetzen wollen, diese auch zuzulassen, sagt Stefan Kapfer. Der Equal Pay ist in meinen Augen eine super Sache und fair für alle Beteiligten. Hier stelle ich keine Lücke fest.